Tankstellen in Ostpreußen
Nach dem Statistischen Jahrbuch des Deutschen Reiches für das Jahr 1933 lag Königsberg im Jahr 1932 hinsichtlich der Autodichte (Einwohnerzahl pro Auto) auf Platz 30 der fünfzig Großstädte Deutschlands.
Aber das Auto muss fahren. Und damit es fahren kann, muss es aufgetankt werden. Also reden wir über Tankstellen.
Ein interessanter Punkt: Deutschland erzielte 1928 mit einer Tankstelle pro zweitausend Einwohner das ehrenvolle Endergebnis. Vorne lagen England, Dänemark, Frankreich, die Schweiz und Holland.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass es nur wenige Tankstellen gab.
Ein ausgedehntes Autobahnnetz, eine sich schnell entwickelnde Automobilindustrie und ein aktives Tourismusunternehmen – all dies trug zur Entstehung einer solchen Anzahl von Tankstellen bei, die es auf dem Gebiet der heutigen Region Kaliningrad bis heute nicht gibt. Heute haben wir übrigens eine Tankstelle für mehr als fünftausend Einwohner (die Einwohnerzahl der Region beträgt 1.027.678 Menschen, es gibt 186 Tankstellen – das Ergebnis sind 5.525 Menschen pro Tankstelle).
Wie kann man den Indikator „Tanken pro Anzahl Autos“ vergleichen? In Deutschland lag er im selben Jahr 1928 bei 31.
Die Grundlage des Benzingeschäfts bildeten zunächst kleine Einzelzapfsäulen am Straßenrand und in der Stadt, die Hotels, Apotheken, Geschäften, Restaurants und Autowerkstätten zusätzliche Einnahmen verschafften. Zunächst wurden an den Spendern Handpumpen installiert, später begann man, sie mit einem elektrischen Antrieb auszustatten.
Die Investitionen in den Bau solcher Tankstellen waren relativ gering, und obwohl die Installationsanforderungen streng waren, wurden Tankstellen schnell zu funktionalen Dekorationen der Stadt- und Straßenlandschaften.
Der Fairness halber ist anzumerken, dass die im Vergleich zur heutigen Situation in Deutschland in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts (und nicht nur in Deutschland) so große Zahl von Tankstellen nicht nur auf den tatsächlichen Bedarf, sondern auch darauf zurückzuführen ist Da die Kosten für die Errichtung einer Tankstelle und der damit verbundenen Infrastruktur in Form eines unterirdischen Tanks für Benzin niedrig waren, gab es keine besonderen Probleme bei der Erlangung einer Genehmigung für die Errichtung und die Besitzer selbst kleinster Unternehmen konnten es sich leisten eine zusätzliche Einnahmequelle zu organisieren. In Werbeprospekten von Hotels oder Autowerkstätten sieht man oft, dass die Präsenz einer Tankstelle als eine Art zusätzliche Option für Kunden dargestellt wurde, ähnlich dem heutigen kostenlosen Internet. Dabei war es gerade das ausgedehnte Tankstellennetz, das es den Autofahrern damals ermöglichte, sich nicht nur auf den Hauptstraßen im Land fortzubewegen, ohne befürchten zu müssen, irgendwo in der ländlichen Wildnis stehen zu bleiben. Unter anderem verkauften Tankstellen oft auch Motoröl und Zündkerzen.
Die dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts waren eine Zeit bedeutenden Wachstums der deutschen Wirtschaft. Große Ketten, die im ganzen Land über eine große Anzahl von Tankstellen verfügen, drängen auf den Markt. Kleine Händler werden zunehmend von großen deutschen und ausländischen Unternehmen aus dem Markt verdrängt. Es entsteht die gleiche Architektur von Tankstellen, die wir heute kennen; sie sind mit Registrierkassen und Regendächern ausgestattet, an ihnen sind mehrere Zapfsäulen gleichzeitig installiert, und Tankstellen werden oft zu einem zusätzlichen Service, genau wie ein Restaurant oder ein Restaurant Hotel.
Berühmte deutsche Architekten und Designer waren an der Gestaltung von Großtankstellen beteiligt, zum Beispiel Hans Poelzig, Autor des Funkhaus-Projekts (1931) in Berlin, Peter Behrens, der das Gebäude der Deutschen Botschaft (1912) an der St. Isaaksplatz in St. Petersburg, Helmut Hentrich, der in den 1960er und 70er Jahren in Deutschland durch seine Projekte ungewöhnlich geformter Hochhäuser bekannt wurde, Werner March, Autor des Olympiastadions in Berlin und andere Architekten.
Die erste „vollwertige“ Großtankstelle „amerikanischer Art“ wurde bereits 1927 in Hamburg in der Hudtwalkerstraße eröffnet. Zukünftig muss das „Herrenset“ solcher Tankstellen neben dem Gebäude und dem Vordach unbedingt aus mindestens zwei Tankstellen, einer Zapfsäule für Motoröl und einem Tankstellenmann bestehen, der zaubert die Motoren und Benzintanks von Autos angesehener Bürger und einen fähigen, bei Bedarf Notfallreparaturhilfe zu leisten. Die Anwesenheit eines „Typen“ (übrigens war es unmöglich, einfach so einen Job als Tanker auf der Straße zu bekommen – eine Uniform konnte man erst nach einer speziellen Ausbildung anziehen) wurde nicht zuletzt festgestellt, durch die Brandgefahr, die beim Befüllen mit Kraftstoff selbst entsteht.
In der Folge änderten sich die Gestaltung und Fläche der Gebäude, die Größe der Dachüberdachung, die Anzahl der Zapfsäulen und Tankstellen, im Grunde blieben die Tankstellen jedoch die gleichen wie vor 100 Jahren.
Einige bis heute erhaltene Tankstellen aus den 1930er Jahren gelten als Baudenkmäler in Deutschland. Sie wurden größtenteils entlang von Autobahnen gebaut, deren aktiver Bau erst in den frühen 1930er Jahren begann.
In ländlichen Gebieten, an Nebenstraßen, wurden Tankstellen größtenteils nach Standardkonstruktionen aus vorgefertigten Elementen gebaut. Sie sahen eher unprätentiös aus und waren ein kleines Gebäude, in dem sich eine Registrierkasse, eine Toilette und ein kleiner Verkaufsraum befanden. Dieses Gebäude wurde von einem rechteckigen Vordach getragen, das zu zwei Dritteln von Ziegel- oder Metallsäulen getragen wurde, zwischen denen sich Tankstellen und eine Durchfahrt für Autos befanden. Oder es handelte sich nur um ein von Pfeilern oder Säulen getragenes Vordach, und das Gebäude, in dem sich das Tankstellenpersonal und die Einzelhandelsflächen befanden, befand sich in einiger Entfernung.
Mitte der 1930er Jahre gab es in Deutschland bereits fast 56.000 Tankstellen! Davon waren nur 2.788 Tankstellen unabhängig. Der Löwenanteil des Marktes gehörte den sogenannten „Big Five“. Darunter waren: DAPG – 18.327 Tankstellen (ein Drittel des Marktes!), Shell – 16.363, BV – ARAL – 7.740, Olex – 6.098 und Leuna – 3.315 Tankstellen.
Es waren die Kraftstoffhersteller, die die Marktregeln diktierten. Wer Kraftstoff einer bestimmten Marke verkaufen wollte, schloss langfristige Verträge mit dem Hersteller ab und konnte nur in diesem Fall dessen Produkte verkaufen. Unabhängige Tankstellen mit einem Marktanteil von ca. 5 % spielten keine nennenswerte Rolle. Als er Kraftstoff von einem großen Hersteller kaufte, hatte dieser nicht das Recht, ihn unter seiner Marke zu verkaufen, und verkaufte Kraftstoff und Öl „ohne Namen“.
Kein Wunder, dass die Tankstellen des führenden Benzinunternehmens, der deutsch-amerikanischen DAPG (Deutsch-Amerikanische Petroleum Gesellschaft), auf Postkarten und Fotos dieser Jahre häufiger zu sehen sind als andere. Dapolin, Standard und Esso sind im Laufe der Jahre Marken dieses Unternehmens.
Hier ist eine Quittung, ausgestellt in Hamburg im Jahr 1929.
Laut dieser Hamburger Rechnung kosteten 40 Liter Dapolin-Benzin den Käufer 13 Reichsmark.
Ist es teuer? Während der Wirtschaftskrise betrug der Durchschnittslohn eines Industriearbeiters 2.000 Reichsmark pro Jahr. Allerdings war es für den Normalbürger nicht so einfach, ein Auto zu kaufen. Es gab schwer zu befolgende Regeln, nach denen neben einem Geldbeitrag auch das Sammeln von Stempeln erforderlich war (ähnliche Stempel werden mittlerweile in Supermärkten angeboten, die beim Sammeln von Aufklebern einen Rabatt auf ein bestimmtes Produkt gewähren). Die Nichteinhaltung der Verpflichtungen hätte den entschädigungslosen Verfall des Kaufrechts zur Folge.
Nur wohlhabende Leute konnten sich ein Auto leisten. Für sie sahen die Benzinkosten selbst bei einem Kraftstoffverbrauch von 15 bis 20 Litern möglicherweise nicht fantastisch aus. Und der Elite-Mercedes-Benz 770 verbrauchte übrigens 28-30 Liter auf 100 km!
Werbung ist bekanntlich der Motor des Fortschritts. Sie können einen potenziellen Kunden nur dann für Ihre Tankstelle gewinnen, wenn Sie sich von Ihren Mitbewerbern abheben. Daher nutzten Tankstellenbesitzer hierfür nicht nur Rekrutierungsplakate.
Selbst gewöhnliche Zahlungsbelege erfreuten das Auge.
In der Vorkriegszeit produzierte die Shell-Werbeabteilung Hunderte von Straßenkarten und Plänen deutscher Großstädte, thematische Touristenkarten und viele andere kartografische Produkte (für Liebhaber von Wasserfahrzeugen gab es übrigens eigene Karten!). Besonders hervorzuheben sind die Shell-Straßenkarten von 1936/37, 1938 und 1939, die an Shell-Tankstellen kostenlos erhältlich waren (was man nicht tun kann, um Kunden anzulocken!). Dank der Stadtpläne von Shell war es möglich, jede Großstadt in Deutschland grob zu navigieren und aus touristischer Sicht zu erkunden.
Shell-Tankstellen waren über ganz Deutschland verteilt – vom Rhein bis zur Memel. Allein in Königsberg gab es laut Stadtplan von Shell aus dem Jahr 1935 37 davon!
Ein weiteres großes Tankstellennetz (wenn auch hinsichtlich der Anzahl der eigenen Punkte den Marktführern deutlich unterlegen) in der Vorkriegszeit war Leuna (ausgesprochen „Leina“). Seit 1927 produziert eines der größten Chemieunternehmen Deutschlands aus der gleichnamigen sächsischen Stadt unter anderem künstliche Flüssigkraftstoffe. Zu diesem Zweck wurde die Methode der Hydrierung von Braunkohle eingesetzt. Im Jahr 1935 gab es in Ostpreußen 94 Leuna-Tankstellen.
Offensichtlich gab es in Königsberg die größte Anzahl an Tankstellen: 7 Einheiten. In Elbing (heute Elbląg) gab es zwei Tankstellen und eine dritte befand sich im Bau. In den meisten Tankstellen waren bereits Telefone installiert. Anhand der Ziffernzahl von Telefonnummern (das Vorhandensein eines Telefons an bestimmten Tankstellen wird durch den Buchstaben F vom deutschen Wort Fernsprecher – Telefon angezeigt) können Sie erraten, welcher Ort größer (4 Ziffern) und welcher kleiner ist ( 3 oder sogar 2 Ziffern).
Die blaue Raute mit den weißen Buchstaben ARAL ist vielen Autoliebhabern nicht nur im modernen Deutschland ein Begriff. Autoöl dieser Marke wird in unserem Land seit vielen Jahren verkauft. Wie man meinen könnte, hat der Name dieser Marke nichts mit dem Aralsee zu tun. Die Geschichte von ARAL begann, wie auch die Geschichte von Leuna, mit der chemischen Produktion und dem Verkauf verschiedener Nebenprodukte, die bei der Koksproduktion anfallen. Mit anderen Worten, wieder synthetischer Kraftstoff. Im Jahr 1924, also noch vor Leuna, erfanden Chemiker des Benzol-Verbandes (BV) eine neue Benzinsorte, bestehend aus einer Mischung von Benzol (zu den AR- omatischen organischen Verbindungen gehörend) und Benzin (zu den AL- phatischen gehörend). Verbindungen). Der neue Kraftstofftyp heißt ARAL. Im Jahr 1939 brachte BV das weltweit erste synthetische Ganzjahres-Motorenöl auf den Markt: ARAL Kowal.
Das BV-ARAL-Tankstellennetz nahm vor dem Zweiten Weltkrieg hinsichtlich seiner Größe nicht nur in Deutschland, sondern auch in ganz Europa eine der Spitzenpositionen ein. Und obwohl ARAL später seine Stellung verlor, ist es bis heute das größte Tankstellennetz in Deutschland.
Seit Mitte der 1930er Jahre stellt die Firma BV – ARAL auch Straßenkarten her.
Nun, ein paar Worte zu einem anderen Tankstellennetz – Olex. Es war dieses ursprünglich österreichische Unternehmen, das 1922 in der Stadt Hannover am Raschplatz die erste Tankstelle Deutschlands eröffnete. Darüber hinaus erschien dank Olex auch der Name der Tankstelle auf Deutsch – Tankstelle.
Es ist natürlich schwierig, dieses erste Bauwerk im heutigen Sinne des Wortes als Tankstelle zu bezeichnen. Es handelte sich um ein kleines kioskartiges Gebilde von etwas mehr als 3 m Höhe, in dessen Inneren sich eine Kraftstoffpumpe befand, die vor den Augen des Kraftstoffkäufers verborgen war. Unter dem Kiosk selbst, unterhalb der Erdoberfläche, befanden sich ein Kraftstofftank, ein Kompressor zur Versorgung von Benzin mit Kohlendioxid von Martini & Hüneke und ein 20-Liter-Messbehälter.
Benzin musste nicht mit einer mechanischen Pumpe gepumpt werden. Kohlendioxid bildete im Gegensatz zu Luft in Verbindung mit Benzin kein explosionsfähiges Gemisch. Der Nachteil bestand jedoch darin, dass bei diesem Versorgungssystem das Benzin oft wie Champagner floss und die Betankung meist durch den Fahrer selbst erfolgte, der den Kraftstofffluss in den Tank kontrollierte. Der Tankwart befand sich im „Kiosk“, steuerte die Zapfsäule selbst und überwachte die zugeführte Kraftstoffmenge.
Im Allgemeinen war die Funktionalität solcher Tankstellen schlechter als ihr Aussehen, und die Kosten für die „Kioske“ waren beträchtlich, so dass sie nicht weit verbreitet waren. Es wird angenommen, dass die letzte Tankstelle dieser Art Anfang 1926 gebaut wurde.
Durch zahlreiche Aktienverkäufe und -käufe geriet Olex Ende der 1920er Jahre unter die Kontrolle des berüchtigten Unternehmens BP (British Petroleum) und in der Folge war das BP-Logo an allen Olex-Tankstellen zu sehen.
In Ostpreußen sind Olex-Tankstellen seltene Besucher auf Fotos und Postkarten. Deshalb werden wir mitteilen, was wir im Internet gefunden haben.
Wie andere Wirtschaftskonkurrenten veröffentlichte Olex eigene Straßenkarten und Atlanten, auf denen es die Standorte seiner Tankstellen vermerkte.
Und zum Schluss noch ein paar Illustrationen zum Thema:
Quellen:
Vahrenkamp R. Die Automobiltechnik als Dienstleistung. Die Entstehung von Werkstätten, Tankstellen, Reifenhandel, Garagenbetrieben und Autohandel in Deutschland 1920 bis 1939 . — Arbeitspapier zur Geschichte der Mobilität Nr. 22/2017
Vahrenkamp R. Der Automobilhandel 1920 – 1933 in Deutschland als Teil des „Systems Automobil“ und als Anstoß für die Dienstleistungsgesellschaft. — Arbeitspapier zur Geschichte der Mobilität Nr. 14/2009 (Stand: 5. Mai 2020)
Kleinmanns J. alles Super! 75 Jahre Tankstelle . — Katalog zur Ausstellung des Lippischen Landesmuseums Detmold, 2002
www.benzin-price.ru
de.statista.com/statistik/daten/studie/1100231/umfrage/durchschnittseinkommen-in-der-weimarer-republik/
https://quto.ru/journal/autorambler/avtomobili-tretiego-reyha.htm
www.landkartenshop.de
www.landkartenarchiv.de
tankstellenmuseum.de
www.tankdienst.com
www.petrolmaps.co.uk
www.strassengeschichte.de
www.baufachinformation.de
www.geschichtsspuren.de
Wikipedia
Bildarchiv Ostpreußen